15.11.2023

Ein nicht gewöhnlicher Tag

Gestern hat uns Nanu völlig mit der Geburt ihrer Kinder überrascht: kein vorheriger Abfall der Körpertemperatur, der meist eine nahe Geburt ankündigt, kein Hecheln, keine unruhiges Scharren. Sie saß neben mir im Wohnzimmer, schaute mich an und fing an zu pressen. Ich konnte sie gerade noch auf die Geburtsmatratze bringen, und schon lag nach wenigen Minuten um 7:45 der erste Welpe vor mir. Bert stand unter der Dusche und ahnte nichts.

Nanu hat ihre Erstgeborene vorbildlich und ruhig versorgt. Und dann bis 9:14 spielend insgesamt 5 gesunde, fitte Welpen auf die Welt gebracht.

Die ersten Fünf

Dann passierte gar nichts mehr. Alle soften Tricks zum Aktivieren der Wehen wirkten nicht. Angesichts des großen Wurfes (es wurden Anfang der Woche 12 Welpen ausgezählt) hatte ich mit unserer Tierarztpraxis, die auf Fortpflanzungsmedizin spezialisiert ist, einen Geburtsbetreuungs- und Rufbereitsschaftsvertrag für Nanu abgeschlossen. Nach Rücksprache mit der Ärztin und keiner Reaktion auf die daraufhin verabreichten wehenfördernden Medikamente machte ich mich mit meiner Freundin Carmen, Nanu und den 5 Welpen auf den Weg in die Tierarztpraxis. Bert blieb zuhause bei den anderen Hunden und Welpen.

Das Gebärzimmer in der Praxis war zwar etwas klein für einen Leonberger, aber wir konnten uns häuslich niederlassen. Carmen richtete ihr „Geburtsbüro“ (ihr Job war die Geburtsdokumentation) auf dem gemütlichen Zweisitzersofa ein, die Welpen waren kuschelig warm im Inkubator geparkt, ich konnte mich zu Nanu auf den Boden setzen.

Unsere Befürchtungen bewahrheiteten sich leider: vor dem Becken lag ein lebloser Welpe. Er lag mit den Hinterfüßchen voran, Eihäute und Nabelschnur waren vorzeitig gerissen. Er hatte keine Chance gehabt. Um 13:40 konnte er endlich geboren werden. Es war ein Kraftakt für Nanu, weil die Mithilfe des Welpen fehlte. und ein trauriger Moment.

Wir waren dann sehr erleichtert, dass direkt hinterher eine gesunde Hündin kam, die gleich anfing zu trinken.

Wir haben alle Welpen wieder angelegt und Nanu eine kleine Pause gegönnt. Kurz nach 14:00 wurden das Sixpack wieder in den Inkubator gepackt und die Wehen noch einmal manuell stimuliert. Wieder kam ein Rüde in Hinterendlage und wieder riss die Nabelschnur, aber es ist für den kleinen Kerl gerade noch einmal gut ausgegangen. Er hatte zwar viel Geburtsschleim eingeatmet, aber nachdem alles sorgfältig entfernt war und er mit etwas Sauerstoff verwöhnt wurde, konnte er mit den anderen an den Zitzen Stand halten. Innerhalb der nächsten halben Stunde kamen noch zwei weitere gesunde, fitte Welpen, eine Hündin und ein Rüde.

Es wurde wieder eine ausgiebige Erholungspause eingelegt, die Welpen konnten lange trinken, Nanu wurde mit Powernahrung gefüttert, bekam eine Glukoseinfusion und wurde anschließend auf die Wiese geführt um Blase und Darm zu leeren und mit etwas Bewegung die Muskeln zu entspannen. Diese Pausen sind für Hündin und Ungeborene enorm wichtig. Für die Hündin, damit sie auch genug Kraft für produktive Wehen hat, für die Ungeborenen, weil jede Wehe eine Belastung ist und unproduktive Wehen dadurch unnötige Risiken verursachen.  

Nach eineinhalb Stunden wurde wieder versucht, die Geburt manuell in Schwung zu bringen, aber wieder ging es nicht richtig vorwärts. Im Ultraschall zeigte sich, dass wieder ein Welpe ohne Herzschlag vor dem Becken lag. Wie sein Sternenbruder kam auch dieser mit gerissener Nabelschnur in Hinterendlage heraus. Auch für ihn war jede Hilfe zu spät.

Wir bangten nun um das Wohlergehen des zwölften und waren unendlich erleichtert als ein kräftiger quicklebendiger Rüde kurz nach 17:00 auf die Welt kam. Das ganze Praxisteam in Feierabendstimmung hatte Daumen gedrückt und freute sich. Auch das engere Geburtsteam und wir waren sehr erleichtert, glaubten wir doch die Geburt abgeschlossen.

Nr. 12

Vorsichtshalber habe ich mich dann doch noch für ein „Leerröntgen“ entschieden und bin mir kurz die Beide vertreten gegangen, während Nanu beim Röntgen war. Als ich zurückkam, blickte ich in betretene Gesichter. Es gab noch einen 13. Welpen. Im Ultraschall konnten wir sehen, dass er lebte und alle waren fest entschlossen, ihn gesund auf die Welt zu bringen. Nanu wirkte allerdings fix und fertig und ihr wurde erst noch einmal eine Pause gegönnt. Leider lag Nr. 13 noch sehr weit hinten und hatte noch einen langen Weg vor sich. Alle 10 Welpen durften im Schichtbetrieb bei Mama trinken. Nanu hat aus einer Laune der Natur heraus nur 7 Zitzen, so müssen sich die Welpen arrangieren. Gegen 18:00 starteten wir wieder einen Versuch die Geburt in Gang zu bringen, aber Nr. 13 wollte noch nicht hervorkommen. Ich hatte die Entscheidung, entweder sofort einen Kaiserschnitt mit allen Risiken für Welpe und Mutter oder die Nacht abwarten, ob er spontan kommt. Dann würde der Kaiserschnitt am Morgen gemacht, wenn bis dahin keine Geburt stattgefunden hat. Ich habe mich telefonisch mit Bert beraten und wir haben uns für abwarten entschieden. Hatten wir doch schon einmal erlebt, dass sieben Stunden nach dem letzten Welpen noch einer lebend geboren wurde.

Während wir etwas niedergeschlagen zusammenpackten, entscheid sich die Ärztin, wie sie sagte aus wissenschaftlichen Gründen noch einen Ultraschall zu machen . Die Lage von Nr. 13 war unverändert, aber selbst ich konnte erkennen, dass die Herztöne schwächer wurden. Ich haderte gerade mit unserer Entscheidung als Nanu sich plötzlich immer wieder auf den Rücken drehte und mit den Beinen in der Luft wedelte. Ist sie nun völlig durchgedreht? Wälzt sich wie ein junger verspielter Hund! Dann legte sie sich wieder auf den Bauch und fing an zu pressen. Innerhalb weniger Minuten brachte sie Kopf voran einen kräftigen lebendigen Rüden auf die Welt, der sich schnell von den Strapazen seiner langen Geburt (fast 12 Stunden) erholte. Man konnte die imaginären Sektkorken knallen hören. Und Nanu hatte dann plötzlich auch diesen entspannten mütterlichen glücklichen Blick. Offensichtlich war auch ihr klar, dass diese Geburt nun endlich abgeschlossen ist und wir nach Hause konnten.

Ich bin dem Praxisteam und insbesondere Frau Dr. Groeger so dankbar für diese besonnene Geburtshilfe. Und auch Carmen gilt mein Dank, sie hielt „ihre Buchführung“ zusammen und auch nach hektischen Momenten holte sie sich die notwendigen Informationen wie Geburtsgewicht, Vitalität usw. ein und notierte sie akribisch. Wer hätte sonst im Eifer des Gefechts daran gedacht, die Geburtszeit zu nehmen oder ein farbiges Bändchen umzulegen?

Aber auch Nanu gebührt eine ausgiebige Würdigung. Sie war so geduldig, hat immer versucht mitzuhelfen. Ihr Umgang mit den Neugeborenen ist so sanft und behutsam. Ich wurde immer wieder von Teammitgliedern gefragt, der wievielte Wurf dies von Nanu sei und traf dann auf Erstaunen, dass es der erste ist. Nanu wirkt so sicher und erfahren.

Hier noch einmal eine tabelarische Zusammenfassung:

Nr.UhrzeitR / HGewichtArbeitstitelFarbe
1.07:45H420 gPrimapink
2.08:10R375 gSecundusgrau
3.08:42H450 gTertiarosa
4.08:59R495 gQuartusbraun
5.09:14R407 gQuintusgrün
6.13:40R
7.13:50H400 gSextaorange
9.14:21R415 gSeptimusblau
9.14:38H420 gOctavarot
10.14:50R490 gNonusschwarz / weiß
11.16:40R
12.17:03R500 gDecimustürkis
13.19:07R485 gUndecimusviolett

Zuhause fanden wir eine ziemlich verstörte Lore vor. Sie war völlig durcheinander von unserem plötzlichen Aufbruch und der nervösen Stimmung. Eigentlich hätten wir an ihrem ersten Tag nach der Geburt alles getan, ihr viel Ruhe und Geborgenheit zu schenken. Stattdessen war ein Kommen und Gehen. Vor allem war sie irritiert von den Geräuschen der anderen Welpen. Erst als wir sie zu Nanu an ihrer Wurfkiste führten und sie sich kurz die fremden Welpen anschauen durfte  (und sich einen Knurrer von Nanu einfing! Wer hätte das gedacht, die liebe Nanu!), konnte sie die Situation begreifen.

Nanus Fußballmannschaft

Wir werden noch ein paar Tage brauchen bis sich hier alles eingespielt hat und wir einen neuen Rhythmus gefunden haben.

Inzwischen hilft Lore bei der Milch aus. Ihre Babys sind äußerst proper, keine Spur von der obligatorischen Gewichtsabnahme am ersten Tag. Sie sind kugelrund, die Hälfte wiegt bereits über 700 g, einer hat die 750 g erreicht. Wir haben sie nach dem letzten großen Fressen in einem Transportkorb geparkt und die 6 leichtesten Mäuse von Nanu bei Lore angelegt. Kein Kampf um die Zitzen und offensichtlich unbegrenzte Milch! Sie glauben sich im Schlaraffenland. Ich hoffe, wir sehen es auch auf der Waage. Die kleinen Nanu-Kiesel haben schon deutlich geringere Geburtsgewichte und durch die anstrengende Geburt auch ordentlich abgenommen. Da ist es schon praktisch, dass Lore eine bereitwillige und auch fähige Amme ist.

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